1. |
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Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin!
Der stummen Sterne reine Nähe
Weht mich mit ihrem Zauber an
Und hat der Erde Lust und Wehe
Von meinen Stunden abgetan.
Der süße Atem meiner Geige
Füllt nun mit Gnade mein Gemach,
Und so ich mich dem Abend neige,
Wird Gottes Stimme in mir wach.
Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin,
Und von der Welt nur dies begehre,
Die weißen Wolken anzusehn,
Die lächelnd, über Schmerz und Schwere,
Von Gott hin zu den Menschen gehn.
- Stefan Zweig -
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2. |
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Straßen hin und Straßen her
Wandr ich in der Nacht;
Bin aus Träumen dumpf und schwer
Schluchzend aufgewacht.
Thränen,
Sehnen,
Lust und Schmerz, –
Ach, wohin treibt mich mein Herz?
Ach, wohin treibt mich mein Herz?
- Otto Bierbaum
Steht ein Haus in Grün gebaut
Draußen vor der Stadt,
Wo der Fluß mit leisem Laut
Sein Geströme hat.
Blüten
Hüten
Dicht es ein:
Dort möcht ich zu Gaste sein,
Dort möcht ich zu Gaste sein.
- Frank Wedekind
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3. |
Lieder [Hofmannsthal]
03:35
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Gesellschaft
SÄNGERIN
Sind wir jung und sind nicht alt,
Lieder haben viel Gewalt,
Machen leicht und machen schwer,
Ziehen deine Seele her.
FREMDER
Leben gibt es nah und fern,
Was ich zeige, seht ihr gern –
Nicht die Schwere vieler Erden,
Nur die spielenden Gebärden.
JUNGER HERR
Vieles, was mir Freude schafft,
Fühl ich hier herangeflogen,
Aber gar so geisterhaft:
Glücklich – bin ich wie betrogen!
DICHTER
Einen hellen Widerschein
Sehe ich im Kreise wandern:
Spürt auch jeder sich allein,
Spürt sich doch in allen andern.
MALER
Und wie zwischen leichten Lichtern
Flattert zwischen den Gesichtern
Schwaches Lachen hin und her.
FREMDER
Lieder machen leicht und schwer!
DICHTER
Lieder haben große Kraft –
Leben gibt es nah und fern.
JUNGER HERR
Was sie reden, hör ich gern,
Sei es immer geisterhaft.
- Hugo v. Hofmannsthal
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4. |
Der Wahnsinn [Rilke]
04:07
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Der Wahnsinn
Sie muss immer sinnen: Ich bin...ich bin...
Wer bist du denn, Marie?
Eine Königin, eine Königin!
In die Knie vor mir, in die Knie!
Sie muss immer weinen: Ich war...ich war...
Wer warst du denn, Marie?
Ein Niemandskind, ganz arm und bar,
und ich kann dir nicht sagen wie.
Und wurdest aus einem solchen Kind eine Fürstin, vor der man kniet?
Wie die Dinge alle anders sind, als man sie beim Betteln sieht.
So haben die Dinge dich groß gemacht,
und kannst du noch sagen wann?
Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht, -
und sie sprachen mich anders an.
Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
die ist wie mit Saiten bespannt;
da wurde Marie Melodie, Melodie...
und tanzte von Rand zu Rand.
Die Leute schlichen so ängstlich hin,
wie hart an die Häuser gepflanzt, -
denn das darf doch nur eine Königin,
dass sie tanzt in den Gassen: tanzt!...
- Rainer M. Rilke -
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5. |
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Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättigt, dann mir sterbe.
Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heil´ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
- Friedrich Hölderlin
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